,,Ich kann keine Penisse mehr sehen…”

Die Kriminalhauptkommissarin Kirstin Kasecker sprach bei einer unserer Veranstaltungen in Weißenburg über “SEXUALISIERTE GEWALT“ im lnternet.

WEISSENBURG. – Was im Netz an Sexualdelikten abgeht, übersteigt wahrscheinlich die Vorstellung der meisten Zeitgenossen. Was viele Kinder und Jugendliche auf ihren Smartphones sehen und selber weiterreichen, kann bisweilen erschrecken. Der Verein Präventionswegweiser e.V. und der gfi-Weissenburg luden deshalb Kriminalhauptkommissarin Kirstin Kasecker aus Ansbach zu zwei Info-Abenden ein. Ihr Thema: „Gefahren im Netz“. Vor Fachkräften der Kinder- und Jugendarbeit gab die Polizistin nicht nur einen Einblick in ihr Tätigkeitsfeld, sondern auch einen Handlungsleitfaden mit auf den Weg.

Der Vortrag der Kommissarin fängt harmlos an. Mit Vorstellung diverser sozialer Netzwerke, auf denen sich heutzutage vorwiegend junge Menschen tummeln. Instagram, Snapchat, YouTube, WhatsApp, Twitter, Pinterest, TickTock und wie sie alle heißen. Über das relativ harmlose „facebook“ redet Kasecker nicht lange. Megaout bei Jugendlichen! „Was soll ich da – da treffe ich nur meine Mutter“, spiegelt sie die Meinung mancher Jugendlicher wider. Sie stellt beliebte Games vor, die zwar Suchtpotenzial haben können, die aber bei kontrollierter Nutzung nicht unbedingt Schaden anrichten müssen. „Spiele im Internet sind per se nicht schlecht – aber auch da gilt für Kinder, Jugendliche und Erziehungsberechtigte: Aufpassen, was gespielt wird und wie lange.“

Dann geht es ans Eingemachte. Um jugendliches Cybermobbing und sexualisierte Gewalt, um kompromittierende Selfies und intime Aufnahmen, die Jugendliche immer häufiger fürs Internet posten. Kirstin Kasecker hat viel gesehen – viel sehen müssen. Sie ist bei der Kripo Ansbach spezialisiert auf „Gefahren im Netz und sexualisierte Gewalt“. Ein Bereich, der sie ständig mit Bild- und Filmmaterial in Berührung bringt. Nur andeuten darf sie Beispiele aus ihrem Alltag. Manches treibt ihr selbst nach vielen Berufsjahren die Zornes- und Schamesröte ins Gesicht. Was ihre Dienststelle immer häufiger beschäftigt, seien Anzeigen wegen Nacktfotos und -filmen. Die Rückverfolgung zur Quelle ist selten möglich. Wo es nicht zur Anzeige kommt, auch das wusste Kasecker zu berichten, geschieht dies meistens aus Scham oder Angst.

Das Netz vergisst nichts!

Internet ist nicht grundsätzlich schlecht, sagt sie noch einmal. Doch wo viel Licht ist, sei auch viel Schatten. Kasecker macht das an zahlreichen Beispielen fest. Es sei heute leider gang und gäbe, dass Jugendliche aus Spaß – oder um anderen zu schaden – Nacktfotos ins Netz stellten. „Die Hemmschwelle wird dabei immer niedriger“, stellt die Kommissarin fest. Vor allem, weil sich junge Menschen oft gutgläubig auf Fotos und Filme einlassen und dann ungewollt im Internet erscheinen – in unangemessenen oder ehrverletzenden Situationen. Für die jungen Opfer, meistens seien es Mädchen, kann dies zu Depressionen, Schlafstörungen, Selbstverletzungen bis hin zu Suizid führen. Und: „Das Netz vergisst nichts“! Aufklären, aufklären, aufklären – ist deshalb ihr Mantra an alle, die sich mit der Erziehung von Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Schulen müssten viel stärker für dieses Thema sensibilisiert werden. „Wir hoffen, dass diese Art von Aufklärung irgendwann im Lehrplan verankert wird“. Schon wegen der Folgen und Konsequenzen.

Denn was junge Leute oft nicht wissen: Von Rechts wegen sind Nacktfotos im Internet ganz klar Pornografie und damit strafbar. Kommt es zur Strafverfolgung und Verurteilung, führt dies zu jahrelangen Einträgen ins Führungszeugnis. „Das bedenken viele Jugendliche nicht“, sagt die Expertin, „da hat der Spaß eben doch ganz konsequente Folgen“. Bis hin zum unwiederbringlichen Einzug des Handys, im Polizeisprech: das „Tatwerkzeug“. Nach Kaseckers Beobachtung werden nicht nur Mädchen zu intimen Fotos animiert. Immer häufiger fotografierten sich auch Jungen in eindeutiger Pose und stellen Aufnahmen von sich ins Netz. “Ich kann keine Penisse mehr sehen“, sagt die gestandene Frau ins Auditorium. Zu oft wird sie mit einschlägigen Fotos konfrontiert.

Es gibt auch gute Online-Tipps

Doch nicht nur bei solchen Aktivitäten rät sie Eltern und Pädagogen zu mehr Achtsamkeit. Ein weiteres Problem seien Plattformen, in denen es um rechtsextreme Botschaften, um Kettenbriefe mit Verschwörungstheorien, um Hate speech und Betrugsplattformen, um Nötigungen und Erpressungen bis hin zu Anleitungen und Aufforderungen zur Selbsttötung gehe. Auch dazu nennt die Kommissarin zahlreiche Beispiele. „Dieser Sumpf lässt sich ebenfalls nicht austrocknen“, stellt Kasecker fest, „und diese Abartigkeiten findet man nicht nur im Darknet, sondern leider auch im ganz gewöhnlichen Internet.“

Einen versöhnlichen Ausblick hat Kirstin Kasecker dennoch an diesem Abend parat: Es gibt zahlreiche Plattformen mit „sauberen“ Spielen und Infoseiten. Wer mehr dazu wissen will, kann zum Beispiel die Broschüre „Onlinetipps für Gross und Klein“ unter www.polizei-beratung.de beziehen. Als weitere Handreichung für Eltern und Lehrkräfte soll die Broschüre „Im Netz der Neuen Medien“ dienen. Erhältlich ebenfalls bei Polizeidienststellen. (ps)

 

 

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