„Na ja, wir sind schon speziell…“

Präventionswegweiser e.V. fördert spannendes Projekt auf Reit-Therapiehof in Haardt

WEISSENBURG-HAARDT. – Dienstagnachmittag, Besuchstermin auf dem Reit- und Therapiehof im kleinen Weissenburger Ortsteil Haardt. Gleich am Ortsrand: Die Idylle pur. Pferdekoppeln, Hühner, Hasengehege, Spielhütte – alles, was Kinder und Jugendliche lieben. Den Reithof von Sandra Wägemann kann man nicht verfehlen. Auch nicht die kleinen Parkplatzeinweiser, die uns gestikulierend in Empfang nehmen und uns beim Einparken präzise Anweisungen geben. Viel Platz für die Autos gibt es nicht.

 

  Hier draußen auf der Hochfläche zwischen Dettenheim und Suffersheim treffen wir auf eine Gruppe von Jungen der Treuchtlinger Senefelder-Schule. In der ländlich-romantischen Umgebung nehmen sie teil an einem heilpädagogischen Projekt des Präventionswegweiser e.V. . Dieser Verein setzt sich landkreisweit für Jugendpflege und Kriminalprävention ein. Das Projekt in Haardt nennt sich „Pferde machen stark“. Es wird behördlicherseits von dem Jugendsozialarbeiter Martin Bruhn geleitet. Bruhn ist ein kräftiger Mann, der sich notfalls auch durchsetzen kann und den die Jungen im besten Sinne schätzen und anerkennen… müssen. Denn: So ganz freiwillig sind die Buben nicht hier. Sie gelten im schulischen Alltag als „etwas schwierig“. Oder sollte man sagen: galten? Fragt man die Neun- bis Fünfzehnjährigen, warum sie denn hier seien, kommt die Antwort: „Na ja, wir sind schon sehr speziell…“. Was damit gemeint ist, kann man nur ahnen. Nur vorstellen kann man es sich nicht recht, wenn man die Knaben hier draußen bei den Pferden erlebt. Sie machen auf die Besucher einen sympathischen, ausgeglichenen Eindruck. Das sollen in ihren Klassen kleine Raufer und Störenfriede sein?

 

  Was die Jungen lernen sollen, beschreibt Sozialarbeiter Bruhn mit dem Wortungetüm „Konfliktbewältigungsstrategien“. Seit Oktober letzten Jahres fährt er mit ihnen jeden Dienstagnachmittag im Bus des Kreisjugendrings für zwei Stunden zum Reit- und Therapiehof nach Haardt. Das Gelände ist ideal. Dort sollen die Schüler erlebnispädagogische Erfahrungen machen – im Umgang mit den gutmütigen Pferden an ihren „Verhaltensmustern“ arbeiten. Sie reiten, voltigieren, pflegen die Tiere, zu denen auf dem Hof noch diverse Hasen und Hühner gehören. Bruhn und Wägemann sagen: „Seit wir das Projekt auf dem Reithof betreiben, zeigen alle beteiligten Buben weniger körperliche Konflikte“. Im Umgang mit den Pferden scheinen sich aggressive Verhaltensweisen tatsächlich zu reduzieren. Bis jetzt jedenfalls kämen aus der Schule nur positive Rückmeldungen. Dieses Ergebnis freut die Besucher vom Präventionswegweiser e.V..

 

  Wer sucht die Jugendlichen aus, die dienstags nach Haardt dürfen? „Das ist meine Aufgabe gemeinsam mit den Lehrer*innen der Senefelder-Schule“, sagt Bruhn. Neben ihm ist regelmäßig auch Sissy Lösel dabei. Die engagierte Lehrerin begleitet das Projekt in Eigeninitiative. Bruhn, Lösel und Wägemann überlegen stets gemeinsam, wie und womit man in dieser Altersgruppe therapeutisch ansetzen kann. Zum Beispiel gehört dazu auch der Bau einer Hütte – auch das gehört zum Erkennen eigener Fähigkeiten. Das Ganze geschieht jede Woche schön im Wechsel: Sechs Schüler zimmern sich mit erkennbar großem Eifer eine Hütte. Die sechs anderen sind mit den Pferden beschäftigt. Alles scheint zu klappen. Wichtig ist: Die gut eingespielte Gruppe hält sich an die Spielregeln. Dabei wird natürlich auch Disziplin gefordert. „Aber auch das in vernünftigem Maße“, wie Bruhn betont, „die Jungs sollen vor allem Erfolgserlebnisse haben“.

 

  Für das Projekt „Pferde machen stark“ stellt der Reithof unterschiedliche Therapiepferde zur Verfügung. Angst vor den Tieren hat keiner mehr. Am Anfang vielleicht ein bisschen, aber das hat sich schnell gelegt. „Mir gefällt Konrad am besten“, meint Maxi*. Konrad ist ein Shetlandpony, das sich von dem Jungen brav und willig führen lässt. Dann sind  da noch „Bella“, eine gutmütige große Haflingerstute, die vom 15jährigen Sid* geführt wird und „Bailey“, ein fünfjähriger Ponymix. Dem 12jährigen Olli* liegt gerade Bailey. „Der hört gut auf mich,“ sagt er, „und der macht so viel Quatsch wie ich“, wie er nachschiebt. Gemeint ist wohl sein Verhalten in der Schule. Die Kinder wissen also genau, warum sie sich bei Sandra Wägemann, einer „heilpädagogischen Fachkraft am Pferd“, auf therapeutische Weise austoben dürfen. Beim Besuch der Delegation des Präventionswegweisers hatte man das Gefühl, die Schüler seien stolz auf das, was sie den Gästen vorführen konnten. Nun ruht die Hoffnung darauf, dass die Jungen ihre hier erlernten Konfliktstrategien auch im Umfeld der Klasse zeigen und sie als Modell für ihre Mitschüler fungieren. (ps)

 

(* Name geändert)