Im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum Pappenheim trafen sich Fachleute aus der Sozial-, Jugend-, Schul-, Bildungs- und Ausbildungsarbeit sowie der Berufsberatung und Arbeitsvermittlung. Neben drei Impulsvorträgen bestand an runden Tischen die Möglichkeit zum Austausch. Zahlreiche Vertreter Öffentlicher Institutionen nahmen als Gäste teil und diskutierten mit.

Landrat Gerhard Wägemann und Thomas Thill, Vorsitzender des Präventionswegweiser eröffneten die Fachtagung die unter dem Thema: „Jugend im Abseits? Verloren Gegangene zurückgewinnen … durch gelebte Kooperation“ stand.

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In seiner Einführung führte Thomas Thill die Teilnehmer in die zentralen Aufgaben der Fachtagung ein. Die jugendspezifischen Angebote und Aktivitäten aller Bildungs- und Arbeitsmarktakteure sollen mit dieser Fachtagung die Gelegenheit erhalten sich auszutauschen und nachhaltig aufeinander abzustimmen. Thill: „Die Herausforderung der sozialen und beruflichen Integration insbesondere bei benachteiligten Jugendlicher bleibt trotz wirtschaftlicher Belebung bestehen und der demographische Wandel verstärkt die Notwendigkeit, die Ressourcen junger Menschen zu nutzen“.

Anschließend zeigte sich Landrat Gerhard Wägemann über den großen Zuspruch von 105 Teilnehmenden hauptsächlich aus dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen aber auch den Nachbarlandkreisen Ansbach und Roth sehr erfreut. Das Jugendamt, Jobcenter und die Agentur für Arbeit sowie Beamte der Polizeidienststellen des Landkreises bekundeten ihr Interesse an der Tagung.

IMG_0015Barbara Klamt aus München und profunde Kennerin der Themas und der Zielgruppe übernahm nach den Eröffnungsworten des Landrates die weitere Moderation des Tages. Mit kurzen Worten umschrieb sie die Zielgruppe der „Verlorenen jungen Menschen“. Die Unternehmen brummen. Die Beschäftigtenzahlen steigen. Ausbildungsstellen werden nicht besetzt. Die Wirtschaft und der Mittelstand können die Ausbildungsstellen bzw. Arbeitsplätze nicht mehr alle besetzen. Und was ist mit den Verlierern? Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene haben kaum noch Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe.  Mögliche Konsequenzen: Desintegration, Ausgrenzung, Verweigerung, Straffälligkeit.

Frank Tillmann vom Deutschen Jugendinstitut war aus Halle angereist und führte in seinem anschließenden Vortrag in das Thema ein. Er ging insbesondere auf die Fragestellungen ein: Welche jungen Menschen werden vom System nicht (mehr) erreicht? Wo sind sie zu finden? Welche Merkmale haben sie? Wie viele sind sie ungefähr, in welchen Größenordnungen müssen wir denken. In der mit Carsten Gehne erstellten Expertise “Situation ausgegrenzter Jugendlicher“ war er auf erstaunliches gestoßen. Etwa 1 % der 14-27-jährigen jungen Menschen leben ohne Anbindung an Bildungsinstitutionen, ohne normales Erwerbseinkommen oder Leistungen der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters. Sie nehmen keine Sozialleistungen in Anspruch und leben von Schwarzarbeit, (Klein)Kriminalität, An- und Verkauf (z.B. Ebay) Drogenhandel, Glückspiel oder durch Unterstützung von Familienangehörigen, Partnern und Freundinnen, niedrigschwellige Angebote z.B. Jugendwerkstatt Langenaltheim oder bei jungen Frauen durch Prostitution  eher im städtischen Raum, oder sie bekommen früher die Kinder und schließen jung eine  Ehe. Im ländlichen Raum sei die Bindung in das soziale Umfeld noch ausgeprägte als wie im Städtischen. Oft stehen kurzfristige Problemlösungsstrategien im Vordergrund ihres Handelns.

 In anschließenden 12  „Worldcafés“ kamen immer acht Zuhörer nun zusammen und halfen sich gegenseitig ihre Erfahrungen und Einschätzungen zusammenzutragen. Der jeweilige Gastgeber an den Tischen berichtete anschließend über die Ergebnisse der Diskussionen.

Mit einer Menge an Erkenntnissen gingen die Tagungsteilnehmer nach den Schilderungen von Kathrin Kimmich, Zukunftscoach der Bildungsinitiative altmühlfranken, in den Mittag. Diese konnte eine Vielzahl von Angeboten aufzeigen. Angefangen vom Jugendamt über die Jugendhilfeträger bis hin zu Vereinen und den Institutionen Arbeitsamt und Jobcenter.

Am Nachmittag trug Andreas Oehme von der Universität Hildesheim die Erkenntnisse seiner Studie und Lösungswege zu der Fragestellung -Niedrigschwelligkeit. Verloren Gegangene wie zurückgewinnen?- vor.

An den Beispielen von sechs niedrigschwelligen Projekten aus dem Bereich der Beschäftigungsförderung für Jugendliche erfuhren die Zuhörer, dass eine akzeptierende und wertschätzende Grundhaltung und ein „Vorschuss“ an Vertrauen und Respekt vor den unterschiedlichsten Lebenswegen Voraussetzung für eine gelingende Integration in unsere Gesellschaft ist. Vom jungen Menschen ausgehend, in kleinen überschaubaren Projekteinheiten die Einbindung in die Region Weißenburg-Gunzenhausen fördern. „Es geht um die Stärkung der sozialen Teilhabe, also um Inklusion“, so Andreas Ohme und weiter, „ die Projekte müssen spezifischer entwickelt werden und gemeinsam mit den Angeboten und Aktivitäten der Jugendhilfe-, Bildungs- und Arbeitsmarktakteure im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen abgestimmt werden. Dadurch kann eine nachhaltige soziale und berufliche Integration der  jungen Menschen im Landkreis erreicht werden“.

Nach dem anschaulichen und beeindruckenden Impulsvortrag führte Barbara Klamt die Teilnehmer mit der Frage: Was braucht es in unserem Landkreis an Veränderungen, um die Verloren Gegangenen zurückzugewinnen? in den Arbeitsalltag zurück. Lehrer, Schulsozialarbeiter, Polizisten, Sozialpädagogen und  Leitungen aus dem Schul- und Jugendamt, dem Jobcenter und den Berufsbildungsträgern trugen gemeinsam Lösungen zusammen. Festgehalten wurde, dass die Gefahr aus dem sozialen Gefüge in unserem Landkreis „herauszufallen“ gestiegen ist;  die  Jugendsozialarbeit Schulen auch an Berufsschulen sinnvoll wäre; der Blickwinkel der Jugendhilfe auch auf die über 18-jährigen sich erweitern und bestehende Strukturen fachlich weiter entwickelt; eine Notschlafstelle bzw. ein Wohnungsangebot zur kurzfristigen Unterbringung für junge Menschen angeboten; der Jugendhilfeplan fortgeschrieben und die Vernetzung der Akteure einschließlich Industrie und Handwerk angestrebt werden sollte.

Zum Schluss der Tagungen diskutierten unter Leitung von Barbara Klamt Landrat Gerhard Wägemann, Reinhard Flöter Leiter der Agentur für Arbeit und Bernd Burgschneider der Geschäftsführer des Jobcenters im Landkreis verschiedene Fragestellungen. Alle drei Entscheidungsträger waren sich einig, dass diese erste Fachtagung in einem bayerischen Landkreis ein voller Erfolg war. Die Anfang  April geschlossene Kooperationsvereinbarung jetzt erst recht mit Leben erfüllt werden muss und es sich für jeden einzelnen jungen Menschen lohnt, diesen in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen. Die Angebote müssen mittel- und langfristig ausgerichtet und gesichert werden sowie auf die Bedürfnisse der jungen Menschen ausgerichtet werden. So können im Miteinander mittelfristig junge „verloren Gegangene“ an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt herangeführt werden, Beschäftigungschancen auch niederschwellig erschlossen werden und Fachkräfte für „von morgen“ gesichert werden.

Thomas Thill vom Präventionswegweiser dankte insbesondere seine Mitstreitern im Vorbereitungsteam besetzt mit Gunhilde Riehl Knoll, Jugendwerkstatt Langenaltheim, Wilfried Hartl, Agentur für Arbeit und Roland Engelhard, bfz-weißenburg, den Mitarbeiterinnen des Tagungshauses für die tolle unentgeltliche Unterstützung und den zahlreichen fleißigen und helfenden Händen in der Jugendwerkstatt Langenaltheim ohne die ein ehrenamtlich organisierter Verein diese Fachtagung hätte nicht anbieten und durchführen können.

Mit einem Appell: „Lassen sie uns die verteilten Ressourcen für die Arbeit mit Jugendlichen über die Brücke der Kooperation sinnvoll miteinander verknüpfen und für die Jugendlichen wirksam werden lassen“, verabschiedet er am späten Nachmittag die Teilnehmer.